Fastenandacht Haselbach

14.03.2020 Grid Weidner

Liebe Fastengemeinde,

Wie erging es Euch / Wie erging es Ihnen mit dem Fasten in der vergangenen Woche? Diese beliebte Frage werden wir in diesem Jahr in der Haselbacher Kirche wohl nicht mehr sagen und nicht mehr hören.

Auch wir in der Kirchengemeinde Haselbach - Rückersdorf wollen dem Coronavirus keine Chance bieten, sich schneller auszubreiten. Deshalb fallen die Fastenandachten in der Kirche Haselbach auf Empfehlung des Kirchenkreises Altenburger Land zunächst aus.

Die Entscheidung, die Fastenandachten ausfallen zu lassen, ist schweren Herzens und zum gesundheitlichen Allgemeinwohl getroffen worden.

Wir empfinden diese Einschränkung als schmerzhaft, gleichzeitig jedoch als unausweichlich. Wir werden Euch / Sie über alle weiteren Schritte und Entwicklungen auf dem Laufenden halten.

Ersatzweise werden wir für die verbleibenden Samstage in der Passionszeit unsere Andachten und Fürbitten in Briefform mit der Post oder per Email verschicken. So bleiben wir in Verbindung.

Heute erreicht Sie / Euch die Andacht vom letzten Samstag (14.03.2020) zum darauffolgenden Sonntag Okuli. Diesmal mit Verspätung, weil uns die Bitte, die Andachten abzusagen, erst Samstag erreicht hat.

In den Kirchengemeinden Rückersdorf und Haselbach werden wir ab dem 22.03.2020 jeden Sonntag um 10:00 Uhr die Glocken läuten lassen und laden damit herzlich zum Gebet ein. 

Seid mutig und stark! Habt keine Angst, und lasst euch nicht von ihnen einschüchtern! Der Herr, euer Gott, geht mit euch. Er hält immer zu euch und lässt euch nicht im Stich! 
5. Buch Mose 31, 6:

Wir wünschen Ihnen/ Euch eine gesegnete Passionszeit
Grit Weidner und Miko Weisser 

Andacht:

Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.                                    Lukas 9, 57-62

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, weil „die Zeit erfüllt ist, dass er in den Himmel aufgenommen werden soll“, will heißen: Jetzt kommt die Zeit des Leidens und Sterbens. Passionszeit. Passionszeit, die sich vollenden wird in Auferstehung und Himmelfahrt. Doch zunächst das Leid, die Passion.

Auf diesem Weg begegnen Jesus drei Menschen, die bereit sind, ihn auf diesem Weg zu begleiten, mit ihm zu gehen, ihm nachzufolgen. Verständlich wäre, dass Jesus froh über diese Begleitung ist, dass er und die zwölf Jünger nicht allein gehen müssen. Doch seine Reaktion ist eine andere, eine befremdliche, er weist die Menschen sogar ein wenig zurück. Beziehungsweise: Er versucht ihnen deutlich zu machen, was Nachfolge bedeutet.

Nachfolge ist eben nicht die Nachfolge der anderen, sondern kann immer nur meine Nachfolge sein. Und weil es meine Nachfolge ist, muss ich mir im Klaren sein, was ich bereit bin, auf mich zu nehmen; wie konsequent ich sein kann. Jesu Worte mögen schroff klingen, abweisend, überfordernd – sie sind ernst und ehrlich. Ich soll die Christusnachfolge nicht auf die leichte Schulter nehmen, das ist nichts für nebenbei, sondern erfordert den ganzen Menschen. Noch mehr: Leben in der Nachfolge ist ein Leben unter ganz anderen Bedingungen und Gegebenheiten.

Ein Leben unter ganz anderen Bedingungen und Gegebenheiten erleben wir alle notgedrungen in diesen Tagen und Wochen, ohne zu wissen, was noch auf uns zukommt. Noch vor wenigen Tagen hätten wir uns nicht vorstellen können was möglich ist: Schulen und Kindergärten werden geschlossen, es finden keine Gottesdienste und keine Andachten mehr statt. Mit frustriertem Ton sagte ein Haselbacher Gemeindemitglied: „Jetzt schließen wir unsere Kirche schon wieder“. Im Supermarkt sehen wir leere Regale. Das Toilettenpapier, die Suppendosen und die Nudeln werden langsam knapp.

Einschränkungen im kulturellen und sozialen Bereich und in der ganz normalen Alltagsgestaltung die wir nicht für möglich gehalten hätten.

In diese Situation hinein lese ich die Worte des Predigttextes, lese ich, was Nachfolge bedeutet. Sagen mir diese Sätze heute etwas, können sie mir vielleicht sogar eine Hilfe sein? Fragen, die ich mit Blick auf die Antworten Jesu Schritt für Schritt versuchen möchte zu beantworten.

 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

Nachfolge bedeutet nicht zwingend Obdachlosigkeit. Ich muss nicht das Leben eines Wanderpredigers ohne Dach über dem Kopf führen. Ich lese diesen Satz anders: Als Mahnung, sich in diesem Leben nicht zu sehr einzurichten.

Heimat und Geborgenheit sind für jeden Menschen wichtig. Doch wo finde ich Heimat und Geborgenheit und das damit verbundene Gefühl der Sicherheit? Der neuartige Virus führt uns vor Augen, wie brüchig die Sicherheiten des Alltags sein können. Obwohl ich ein Dach über dem Kopf habe, der Kühlschrank voll ist, sich eigentlich nicht viel verändert hat, beschleicht mich manchmal ein Gefühl des Ausgeliefertseins und der Schutzlosigkeit. Wo finde ich Halt? Der Nachfolger findet Halt bei dem, dem er nachfolgt. Mag Jesus auch keinen Platz im Leben haben, ist er nicht heimatlos. Jesus hat Heimat in der Liebe, hat Heimat im Himmel, hat Heimat bei Gott.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Meine Antwort auf den Virus ist nicht Weltflucht, sondern Vertrauen. Auch dieser Virus, so monströs er uns momentan erscheinen mag, ist nicht größer oder mächtiger als unser Herrgott. Auch der, der nachfolgt, flieht nicht der Welt, sondern er vertraut.

Mögen wir uns in diesen Tagen auch unsicher und ausgeliefert fühlen – ich glaube fest daran: Wir haben Heimat bei Gott, von dem wir kommen und wohin wir gehen und wir sind geborgen in seiner Liebe.

Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

Was Jesus hier sagt, ist kein Plädoyer für Pietätlosigkeit. Keine Aufforderung, sich seiner Pflichten – und dazu gehörte das Begräbnis – zu entziehen, sondern ein neuer Blick auf das Leben und eine Neuordnung der Prioritäten.

Ein neuer Blick auf das Leben. Auch das ist eine Lehre dieser Tage: Sich von Menschen, auch von geliebten Menschen, fernzuhalten, kann der größte Liebesdienst sein, den ich ihnen zurzeit leisten kann. Und: Mir meiner eigenen Verantwortung bewusst zu sein. Zur Unterbrechung der Infektionsketten kommt es auf jede und jeden Einzelnen an. Die solidarische Gesellschaft wird mit dieser Krise besser fertig als die egoistische. Es kommt auch auf meine Vernunft und meine Verantwortung an: Hier helfe ich denen in Quarantäne mit Lebensmitteln; dort halte ich mich von Menschen fern. Mein jetziges Verhalten ist so wenig delegierbar wie meine Nachfolge. Ich bin gefragt.

Und ich schränke mich ein. Neuordnung der Prioritäten. Was ist mir wirklich wichtig? Loslassen können. Julie Schlösser sagt: „Wir müssen das Loslassen lernen, es ist die Lektion des Lebens.“ Wobei das Loslassen sich nicht auf den Konsum beschränkt; wenn Jesus vom Loslassen spricht, ist das umfassend: die Heimat, traditionelle Lebensweisen, die Familie sind die Beispiele, die im Evangelium genannt werden. Doch das Loslassen kann sehr unterschiedliche Formen annehmen. Es kann der Verzicht auf Konsum und Reichtum sein; vielleicht ist das heute auch die größte Versuchung, die uns am Loslassen hindert. Es kann aber auch das Festhalten zum Beispiel an der Familie sein. Wenn ich Ja sage zu meiner Ehe / Beziehung oder Freundschaft – auch in einer tiefen Krise. Wenn ich mich aufopfere für ein behindertes Kind oder für die pflegebedürftigen Eltern. Loslassen und Nachfolgen sind vielfältig; wichtig ist die Zielrichtung: Mich selbst loszulassen, um für den Nächsten und damit für Gott frei zu sein.

Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

Wer hinter dem Pflug steht und beim Pflügen hinter sich schaut, dessen Furchen werden krumm und schief. Wer zurückschaut, verliert den Horizont aus dem Blick und das Ziel und kann in die Irre gehen. So verstehe ich Jesu Wort von der Hand am Pflug: Wer sich für die Nachfolge Jesu entscheidet, aber das Reich Gottes und Jesus aus dem Blick verliert, ist ungeeignet für die Nachfolge. Das Wort klingt hart, soll aber helfen: Blick auf Jesus. Mag sein, dass du bei der Nachfolge ins Stolpern gerätst oder auch fällst, wenn du Jesus und das Reich Gottes im Blick behältst, kannst du getrost aufstehen und weitergehen.

Vielleicht auch ein guter Ratschlag in diesen Tagen: Bei allem, was auf uns einströmt und uns sorgt, den Blick auf Christus und auf das Reich Gottes nicht zu verlieren. Damit ich auch gedanklich und gefühlsmäßig nicht in die Irre gehe. Christus bleibt der Kompass.

Trotz allem Gesagten kann der Eindruck bleiben, dass Jesus uns im heutigen Evangelium schroff, ja ablehnend gegenübertritt. Doch ich glaube, dass dieser Eindruck weniger über Jesus aussagt und mehr über unser Bild von ihm. Ich glaube, unser Gottesbild neigt oft zu Einseitigkeiten. War es über sehr lange Zeit der strenge, strafende Gott ist das Pendel seit einigen Jahrzehnten zur anderen Seite ausgeschlagen: der liebe, alles verzeihende, gütige Jesus. Die Wahrheit – sofern ich sie wissen kann – liegt meiner Ansicht nach eher in der Mitte und legt uns die Mühsal der Differenzierung auf. Der Glaube ist ein Geschenk, ohne das ich nicht leben mag, zugleich weist uns Jesus aber auch auf die Ernsthaftigkeit dieses Geschenks hin. Der Glaube ist Zuspruch, aber eben auch Anspruch an mich. Und anders kann ich es mir auch nicht vorstellen, denn nur so fühle ich mich von Gott als freier Mensch auch ernst genommen.

Der Glaube verlangt eine Entscheidung. Daran lässt Jesus im Evangelium keinen Zweifel. Im „Vielleicht“ kann ich weder leben noch glauben. Ich muss mich entscheiden, denn auch mich nicht zu entscheiden, ist ja eine Entscheidung: Gegen den Glauben. Auf Probe kann ich nicht glauben. Und diese Entscheidung ist eine Lebensentscheidung. Ich kann nicht für eine Stunde Gottesdienst glauben, um nach dem Gottesdienst weiterzumachen wie bisher. Ein Glaube nur für den Sonntag ist nicht der Glaube, zu dem Jesus uns einlädt. Und ist nicht der Glaube, der uns auch in diesen schweren Tagen trägt und hält.

Amen

Fürbitten

Barmherziger Vater!

Du hörst unser Klagen, du siehst unser Elend. Wir bitten dich:

Für die Menschen weltweit, die erkrankt sind, die Angst haben, die von ihren Lieben getrennt sind, die um einen lieben Menschen trauern.

Wir bitten dich: Herr, erbarme dich.

Für die Wissenschaftler und Forscher, die unter Hochdruck nach einem Impfstoff und nach Medikamenten suchen.

Wir bitten dich: Herr, erbarme dich.

Für alle Menschen am Rand der Gesellschaft – unerkannt, unentdeckt in ihrem Leid.

Wir bitten dich: Herr, erbarme dich.

Für alle Menschen, die verstummt sind in ihrem Schmerz und in ihrer Ohnmacht.

Wir bitten dich: Herr, erbarme dich.

Für alle Menschen, die vergeblich auf eine helfende Hand, eine zärtliche Geste oder auch anpackendes Zugreifen warten.

Wir bitten dich: Herr, erbarme dich.

 

Darum bitten wir dich, guter Gott, der du allen Menschen ihre besondere Würde gibst durch Christus, unseren Bruder und Herrn.

 Amen

Die nächste Andacht wird Ihnen / Euch am 21.03.2020 zugestellt und von Dr. Andreas Auge verfasst.

Ich wünsche allen eine schöne Woche in bester Gesundheit.

Grit Weidner

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